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Thomas Lansius und die Schundliteratur

Mit Schundliteratur wird angeblich unmoralische und verderbte Literatur angeprangert. Von Thomas Lansius ist zu diesem Thema ein Text überliefert, der in einem Buch enthalten ist, das 1845 in Stuttgart im Verlag Carl August Sonnewald unter folgendem Titel erschienen ist:

Geschichten der Stadt Stuttgart nach Archival-Urkunden und anderen bewährten Quellen:

Karl Pfaff: Geschichte der Stadt von den ältesten Zeiten bis zum Jahre 1650, Stuttgart, 1845, S 108

Derselbe Text befindet sich auch in dem 1839 bei Johann Benedikt Metzler in Stuttgart herausgegebenen Buch von Karl Pfaff:

Geschichte des Fürstenhauses und Landes Wirtemberg, Band 3, S 282

Thomas Lansius belehrt uns, dass auch schon damals das Romanenlesen sehr verbreitet war, namentlich unter dem weiblichen Geschlecht, indem er sagt:

Kaum kann ein Mädchen lesen, so gibt man ihm sogleich Liebesgeschichten, verführerische Romane und Gedichte in die Hand und legt so seiner Schamhaftigkeit und Keuschheit Fallstricke, bringt seine Unschuld durch jene verderblichen Bücher voll Possen und Nichtswürdigkeiten in Gefahr, eine fürwahr höchst schädliche Gewohnheit.
Denn das Mädchen, welches von fremden Liebschaften liest, und sollte sie es auch nicht gleich verstehen, saugt doch, sich unbewußt, durch Nachdenken das Gift immer mehr ein und wird zuletzt mit dergleichen Dingen ganz vertraut.
Es wäre wahrhaftig sehr zu wünschen, daß in diesem Stücke eine strengere Censur eingeführt würde.
Die Verderbnis in Deutschland wäre geringer, wenn es hier nicht Menschen gäbe, welche solche Bücher schreiben, an denen Nichts Ausgezeichnetes ist, als die Sprache, welche sie von der vollendetsten Buhlerin gelernt zu haben scheinen, und wenn man nicht die Romane des Auslandes zu uns verpflanzt hätte,
  • aus Spanien den Amadis, Tristan, Florisant, Esplandian, Tirant und die Cölestine,
  • aus Frankreich den Lancelot vom See, den Paris und die Vienna, der Punthus und die Sidonia, die Magelone, Melusine und den Peter von der Provence,
  • aus den Niederlanden Pyramus und Thisbe, Florius und Blancheflour, Leonella und Canamor, Curia und Floreto,
  • aus Italien die scherzhaften Anekdoten des Poggius, den Decamerone des Boccaccio, den Euryalus und die Lukretia.

Der Originaltext aus dem Buch S 108
Der Originaltext aus dem Buch S 282

Stichworte zum Nachschlagen

Karl Pfaff bei Wikipedia

J.B. Metzler´sche Verlagsbuchhandlung bei Wikipedia

Amadis de Gaula, Held des Ritteromans von Heinrich von Kastilien, Florisando und Esplandian (weitere Romanfiguren)

Tristan des mittelalterlichen Dichters Gottfried von Straßburg

Lancelot vom See aus den Artusromanen, Paris und Vienne, Peter von Provence (Bibliotheque Bleue)
Pontus und die schöne Sidonia, französischer Abenteuerroman, Die schöne Magelone, Melusine oder Merlusina oder Merlusigne

Pyramus und Thisbe, Floire et Blancheflor

Poggio Bracciolini, Decamerone des Giovanni Boccaccio

Lucretia (Shakespeare)